Die Alte Kanzlei und Schultheiß Bernhard Stockelmann 28.06.2023
Die Stockelmanns spielen geschichtlich für Bleicherode eine große Rolle. Bisher ist aber noch nicht eindeutig geklärt, welcher Stöckelmann in Bleicherode für was verantwortlich ist. Hier ein paar zusammengetragene Daten von Herrn Dr. Dirk Schmidt und Dr. Maletz:
Die nun konkret gewordene Erneuerung und Neugestaltung des von der Hagen- und der Hauptstraße umschlossenen Kanzleikarrees wird für die Oberstadt von Bleicherode von erheblicher Auswirkung sein. Es könnte mit der Realisierung der seit 2015 im Förderverein bestehenden Überlegungen ein Kultur- und Bürgerzentrum von mehr als lokaler Bedeutung entstehen, dessen Herzstück die denkmalgeschützte Alte Kanzlei ist.
So ist die Frage nach der Geschichte und dem Erbauer des Baudenkmals naheliegend. Der verdienstvolle und noch immer geschätzte Pädagoge und Historiker Hans-Joachim Diedrich (+1984) führte dazu in seiner nur als Manuskript vorliegenden Geschichte von Bleicherode aus, die Alte Kanzlei sei 1721 vom Schultheißen Bernhard Stöckelmann erbaut worden. Diese mehrfach übernommene Ansicht kann jedoch nicht zutreffen.
Nach dem 2004 für die Restaurierung der Kanzleiruine erstellten Bauforschungsgutachten des Kunsthistorikers Dietrich Wiegand und der Restauratorin Antje Pohl (Kanzleiarchiv) wurde das Hauptgebäude einem dendrologischen Gutachten zufolge 1661-65 errichtet. Das Gebälk wurde geprüft. Der Bau ruht auf dem Fundament eines Vorgängers, der 1632 im Dreißigjährigen Krieg bei der Brandschatzung der Stadt zerstört worden ist. Es wird angenommen, dass im Haupthaus für längere Zeit die Verwaltung und die Versammlung der Stände der Grafschaft Hohenstein untergebracht waren. Der Bauherr ist unbekannt. Eine Privatperson kann ein solch stattliches Gebäude damals kaum finanziert haben. Vielleicht war es die gräfliche Herrschaft. Die Errichtung der Alten Kanzlei vor 1700 ergibt sich auch aus einer Eingabe der jüdischen Gemeinde vom 20.07.1793, die sich mit der Nutzung der im Obergeschoss westlich vom Treppenhaus gelegenen Räume befasst. Sie standen danach schon vor 1700 der jüdischen Gemeinde zur Verfügung. Das Gebäude bestand also zu dieser Zeit. Es heißt in der Schrift:“…seit der Zeit, dass die Grafschaft Hohenstein den allerhöchsten Vorfahren Ew. Königlichen Majestät zugefallen ist“, bestehe die Nutzung (Kopie im Kanzleiarchiv). Also seit 1698. Ganz sicher war dann im Lauf des 18. Jh. Bernhard Stockelmann (nicht Stöckelmann) Eigentümer der Alten Kanzlei, denn seine Erben (sechs Kinder) verkauften das Anwesen 1790 an die Gräfin von Hagen. Der Kaufvertrag liegt vor (Kopie im Kanzleiarchiv). Stockelmanns Immatrikulation an der Universität Halle für das Jurastudium erfolgte am 25.9.1745 ( Matrikelbuch 1745, Nr. 53, Kopie im Kanzleiarchiv). Beruflich war er später in der Verwaltung der Grafschaft Hohenstein tätig u.a. als Schultheiß, ab 1752 zugleich als Bürgermeister von Bleicherode (Königl. Reglement) und ab 1769 als Mitglied der Kriegs-und Domänenkammerdeputation in Ellrich (Kuhlbrodt, Beiträge zur Heimatkunde aus Stadt und Kreis Nordhausen, Heft 12, Jg. 1987, S.20-24,63-72; Kolbe, Heimatland,Jg.7, 1910/11, S.126). Im Landesarchiv Magdeburg werden zahlreiche aus dieser Zeit stammende Akten mit Bezug auf Stockelmann und mit seiner Unterschrift verwahrt (Bestand A 19 III d und A 19e; Kopien im Kanzleiarchiv: von Stockelmann unterschriebene oder an ihn gerichtete Schriftstücke vom 04.10.1750; 27.9.1756; 1769; 17.5.1773; 22. und 27.10.1775; 5.,13.11.1781). Er war „Commissionsrat und Justizamtmann“ im Amt Lohra (Acta Borussica, Preußische Staatsverwaltung im 18.Jh., Ausgabe 1936, 15. Bd., S. 150ff, Register 761). Das einträgliche Amt des Schultheißen wird ihm den Erwerb der Kanzlei ermöglicht haben(zur Ausstattung des Amtes: Kolbe, Heimatland, Jg. 8,1911/12, S.115 ff.). 1756 nannte er sich „Consul Civitatis Bleicherod“ (Eingabe vom 27.9.1756, Kopie im Kanzleiarchiv). 1769 übernahm Stockelmann das „Vorwerk Kinderode“ in Erbpacht (Lebenslauf des Sohnes Friedrich Bernhard, 15.6.1782, Kopie im Kanzleiarchiv). Auch wohnte er wohl dort, denn behördliche Schriftstücke waren dorthin adressiert (Acta Borussica a.a.O.). Wahrscheinlich starb er 1788/89. 1790 veräußerten die sechs Stockelmannkinder das Kanzleianwesen an die Gräfin von Hagen, die im Hypothekenschein die seit langer Zeit bereits bestehende Nutzung der Synagogenräume durch die jüdische Gemeinde auf ewige Zeit bestätigte(Kopie imKanzleiarchiv). In der Marienkirche befindet sich ein Epitaph für den Advokaten Christian Bernhard Stockelmann, der von 1703 bis 1742 lebte. Er muss der Vater des Schultheißen sein. Seine Immatrikulation an der Universität Halle erfolgte am 10.05.1721 (Matrikelbuch Nr. 565, Kopie im Kanzleiarchiv). Hier die Inschrift des Epitaphs „Stehe stille Wandersmann und beunruhige nicht dieses Grab. Liegen darinnen die Gebeine des Tit. Herrn. H E R R N Christian Bernhard Stockelmann. ICti, und Königl. Preuß. Advocati ord. des Fürstenthums Halberstadt, welcher das Licht der Welt erblickt Ad. 1703 d. 25. Maj. In seinem Leben gewesen, ein rechter Christ, ein ächter Jurist ein redlicher und gelehrter Man, jedermann lieb und werth, ist in Christo seelig entschlafen, Ad. 1742 d. 7. Nov. Nun gehe weiter Wandersmann. Gehe aber zugleich in dich und gedenke, wer weiß wie nahe mir mein Ende.”
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