Mit einer eindrucksvollen Feierstunde wurde am 24.04.2007 das Haupthaus der „Alten Kanzlei“ in Bleicherodes Oberstadt durch den thüringischen Ministerpräsidenten Dieter Althaus seiner neuen Bestimmung übergeben. Höhepunkt dieser Veranstaltung war die Verleihung des „Thüringer Verdienstordens“ an den gebürtigen Bleicheröder Dr. Dirk Schmidt aus Bad Honnef. Ihm ist es zu verdanken, dass das einsturzgefährdete altehrwürdige Haus und wenige Jahre später die Nebengebäude (Scheunenbau und Remise gerettet werden konnten. Die Alte Kanzlei ist nun ein weiteres kulturelles Zentrum von Bleicherode und zugleich eines der schönsten Baudenkmale der Stadt.
Große Beachtung fand am Eröffnungstage besonders bei den aus Israel und den USA angereisten Gästen die im Haupthaus untergebrachte Ausstellung über die 400-jährige Geschichte der jüdischen Gemeinde von Bleicherode. In der „Alten Kanzlei“ hatte sich auch die erste jüdische Synagoge der Stadt befunden, bevor die Synagoge in der Obergebraer Straße gebaut wurde. Sie wurde in der „Reichskristallnacht“ von den Nazis niedergebrannt. Voll des Lobes war auch Professor Dr. Michael Helft aus Tel Aviv, der für die von weither angereisten jüdischen Gäste sprach.. Seine Familie stammt ebenfalls aus Bleicherode. Sie waren die einstigen Besitzer der Weberei in der Nordhäuser Straße. Heute ist dort ein REWE Markt.
Alle Dokumentationen in der Kanzlei und den Nebengebäuden sind von Dr. Dirk Schmidt erarbeitet worden (Jüdische Gemeinde, Alt-Bleicherode, Kartografie, Landwirtschaft). Mit dem Heimatforscher August Petermann setzte sich Herr Wolfgang Lindner auseinander und gestaltete auch das “Petermann-Zimmer”.
IIn den restaurierten Nebengebäuden wurde Raum geschaffen für weitere Ausstellungen z. B. für alte Stadtansichten und Ansichtskarten sowie für kunsthandwerkliche Tätigkeiten von Vereinen. So findet man dort eine beträchtliche Anzahl alter Webereigeräte und Spinnräder, die zum Teil auch noch genutzt werden. Die Ausstellung alter Webereigeräte sind von Dr. Dirk Schmidt und Herrn Jürgen Holzapfel zusammengestellt worden.
In der „Alten Kanzlei“ hat auch die Stadtbibliothek ihre Räume. Zwischen altem Fachwerk wandelt der Leser jetzt durch die Regale mit vielen Büchern bevor er in einer Kuschelecke, einer ehemaligen „schwarzen Küche“, zum Lesen verweilen kann.
Geschichtliches:
Das heutige Gebäude wurde wohl ca. 1661 auf einem alten Fundament errichtet (Stadtbrand im 30-jährigen Krieg). Anfangs diente es als Wohn- und Verwaltungsgebäude und war gleichzeitig Ackerbürgerhof mit landwirtschaftlicher Nutzung. Ein Holzgutachten für das beim Bau des Dachstuhls verwendete Holz, ordnet den Bau des Gebäudes etwa in die Jahre zwischen 1663 und 1665 ein.
Die Kanzlei war im 18. Jahrhundert Sitz des Stadtschultheißen. Damals diente sie auch der Verwaltung der Grafschaft Hohenstein. Um 1790 ging die Anlage in das Eigentum der Grafen von Hagen über. 1791 überließ die Gräfin von Hagen zwei Räume des westlichen Obergeschosses vom Hauptgebäude an die jüdische Gemeinde von Bleicherode, die hier ihre erste Synagoge errichtete. Die Juden mussten allerdings zum Betreten und Verlassen eine Außentreppe benutzen, heute steht dort die Nr. 132. Dort blieben die Gebetsräume bis zur Einweihung der großen Synagoge in der Obergebraer Straße im Jahre 1882.
Der Förderverein und die Fachleute entschieden sich für eine lebhafte Farbgestaltung der Straßenfassade. Das Fachwerk erhielt einen grauen Anstrich und die Fensterläden sind ochsenblutrot. So soll es ursprünglich gewesen sein.
Nun ist wieder Leben in den alten Gemäuern, denn alle Gebäude des Kanzleigrundstücks werden sinnvoll für die Bürger genutzt. Das Terrain könnte so zu einem Mittelpunkt der Oberstadt werden. Doch es müssen noch viel mehr Menschen zu diesem Vorhaben stehen. Der Vorsitzende des Fördervereins sucht nach mehr Mitglieder für den Verein.
...Und so sah das Gebäude vor seiner Sanierung aus:
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